Patientenverfügung
Jeder ärztliche Heileingriff, vor allem Operationen, tiefgreifende Untersuchungen (etwa eine CT) oder eine Medikation (mit starken Nebenwirkungen und weitreichenden Folgen) erfordert die Einwilligung des Patienten.
Einwilligen kann nur wer einwilligungsfähig ist.
Einwilligungsfähig ist, wer Art, Bedeutung und Tragweite (Risiken) der ärztlichen Maßnahme erfassen kann.
Mit der Patientenverfügung kann man für den Fall der eigenen Einwilligungsunfähigkeit (in Folge Altersabbau, Krankheit oder Unfall) im Voraus festlegen, wie man ärztlich & pflegerisch behandelt werden möchte.
Allerdings ist die Patientenverfügung allein nicht ausreichend, es bedarf eines Dritten, der
1.) die Patientenverfügung durchsetzt und
2.) der im Namen des Betroffenen in die Behandlung einwilligt oder (gegebenenfalls entsprechende der Patientenverfügung) ablehnt.
Dieser Dritte kann sein
1.) ein Bevollmächtigter sein (den man vorab per Vorsorgevollmacht, vor allem für die Gesundheitsfragen, bestimmt) oder
2.) ein rechtlicher Betreuer (den man vorab per Betreuungsverfügung bestimmen kann).
Es ist niemand verpflichtet, etwa als Bedingung für einen Versicherungsvertrag oder eine Heimaufnahme, eine Patientenverfügung zu verfassen.
Die Patientenverfügung kann jederzeit (vom Betroffenen) formlos widerrufen werden, das bedeutet auch mündlich oder ohne Worte (durch entsprechendes Verhalten).
Durchsetzung
Eine Patientenverfügung muss in jedem Fall von den Ärzten berücksichtigt werden. Sie kann aber nur direkt umgesetzt werden, wenn die darin beschrieben Anweisungen genau zur jeweiligen Behandlungssituation passen.
Gibt es Abweichungen dann hat der Vertreter den mutmaßlichen Willen des Betroffenen zu ermitteln, dass kann er tun anhand:
1.) der Wertvorstellungen des Betroffenen im Anhang der Patientenverfügung und/oder
2.) früher (mündlich) geäußerten Ansichten des Betroffenen gegenüber dem Vertreter selbst, Angehörigen oder Ärzten.
Wenn dieser vom Vertreter ermittelte mutmaßliche Wille nicht von den behandelnden Ärzten geteilt wird, (vor allem dann, wenn sich der Betroffene gegenüber dem Behandlungsteam, welches zu ihm zwangsläufig zeitintensiveren Kontakt hat als der Vertreter, verbal oder nonverbal anders äußert) muss bei lebensbedrohlichen Operationen oder lebenserhalten/lebensverlängernden Maßnahmen das Betreuungsgericht entscheiden. Aber auch das Betreuungsgericht hat bei seiner Entscheidung die Patientenverfügung zu beachten.
Voraussetzungen
Jemand, der eine Patientenverfügung verfasst,
1.) muss volljährig sein,
2.) muss zum Zeitpunkt der Niederschrift einwilligungsfähig sein,
3.) muss dies freiwillig tun.
Formulierung / Allgemeins
Die Patientenverfügung sollte schriftlich erfolgen und unterschrieben werden. Ist der Betroffene zum Zeitpunkt der Abfassung nicht in der Lage zu unterschreiben, muss die Rechtmäßigkeit von einem Notar beglaubigt werden.
(Frühere) Mündliche Äußerungen sind nicht wirkungslos, müssen vom Vertreter beachtet werden, vor allem dann, wenn die Patientenverfügung nicht genau zur Behandlungssituation passt.
Man sollte sich bei der Abfassung fachkundig beraten lassen von:
1.) (seinem/n behandelnden) Arzt/Ärzten: über Behandlungsoptionen im Allgemeinen und bei bereits vorliegender Erkrankung im Speziellen und/oder
2.) einem Rechtsanwalt: der bei der rechtssicheren Formulierung behilflich ist, oftmals übernehmen Rechtsschutzversicherungen die Kosten dafür.
Eine regelmäßige (jährliche) Aktualisierung bzw. Ergänzung der Patientenverfügung ist empfehlenswert, wenn sich
1.) die eigene Lebenssituation verändert hat, damit die Einstellung zum Leben,
2.) (für eine bestehende Erkrankung) durch medizinischen Fortschritt neue Behandlungsmethoden ergeben.
Formulierung / Inhalt
Allgemeine Formulierungen (Dahinvegetieren/qualvolles Leiden/Apparatemedizin) und widersprüchliche Aussagen sollten vermieden werden.
Es muss möglichst detailliert beschrieben werden:
1.) in welchen Situationen, die Patientenverfügung gelten soll und
2.) welche Wünsche man dann hat.
Da die Patientenverfügung jederzeit formlos widerrufen werden kann, praktisch auch dann, wenn man einwilligungsunfähig, von einer Krankheit (etwa Demenz) gezeichnet ist, sollte man auch für diese Fälle in der Patientenverfügung Festlegungen treffen.
Es kann im Anhang um Bitten, Richtlinien, Wertvorstellungen, religiöse Anschauungen und/oder Einstellungen zum Leben und Sterben ergänzt werden. Diese helfen dem Vertreter als Auslegungshilfe, wenn die Festlegungen in der Patientenverfügung nicht eindeutig zur Behandlungssituation passen.
In der Patientenverfügung dürfen keine Anordnungen enthalten sein, die gegen das Gesetz verstoßen, etwa eine Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB).
Formulierung / Vorlagen oder Muster ?
Es gibt keine allgemein-gültige Vorlage für eine Patientenverfügung, weil die
Wertvorstellungen und Glaubensüberzeugungen vielfältig sind, sich daher für jeden einzigartige Entscheidungen ergeben.
Daher sollte eine Patientenverfügung eigenständig formuliert werden.
Fomulierung / Textbausteine
Für die Formulierung wiederum gibt es Textbausteine. So gibt es für konkrete Situationen Textbausteine für
1.) die Lebenserhaltung,
2.) die Schmerzlinderung oder
3.) Zwischenstufen zwischen 1.) und 2.).
Eine Sammlung von Textbausteinen gibt es beim Bundesjustizministerium:
Die Verbraucherzentralen bieten (im Internet) die Möglichkeit auf Basis von Textbausteinen eine Patientenverfügung zu erstellen:
Fomulierung / empfohlener Aufbau
Die Patientenverfügung sollte gegliedert sein nach dem „empfohlenen Aufbau“ (Bundesjustizministerium).
Bestandteil | Formulierung | erforderlich/optional |
Eingangsformel | Ich, (Name, Vorname) bestimme hiermit für den Fall… | erforderlich |
Situationen, für die die Patientenverfügung gelten soll |
| erforderlich |
Festlegungen zu ärztlichen/pflegerischen Maßnahmen |
| erforderlich |
Wünsche zu Ort und Begleitung |
| optional |
Aussagen zu Verbindlichkeit |
| optional |
Hinweise auf weitere Vorsorgeverfügungen |
| optional |
Hinweis auf beigefügte Erläuterungen zur Patientenverfügung |
| optional |
Organspende |
| optional |
Schlussformel | Soweit ich bestimmte Behandlungen wünsche oder ablehne, verzichte ich auf eine (weitere) ärztliche Aufklärung. | erforderlich |
Schlussbemerkungen |
| optional |
Datum und Unterschrift |
| erforderlich |
Aktualisierungen mit Datum und Unterschrift |
| optional |
Angang: Wertvorstellungen |
| optional |
Aufbewahrung & Registrierung
Die Patientenverfügung sollte für den Fall der Fälle aufbewahrt werden bei:
*bei sich an einem Ort
**a) zusammen mit der Vorsorgevollmacht und/oder Betreuungsverfügung,
**b) von dem der Bevollmächtigte/Betreuer weiß,
*dem Bevollmächtigten/Betreuer,
Die Patientenverfügung kann aber auch beim Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registriert werden, d.h. nicht das Dokument selbst, sondern nur die Informationen über das Vorhandensein und den Aufbewahrungsort. Die Gebühren betragen mindestens 20,50€, maximal 26€ (einzeln oder zusammen mit anderen Vorsorgepapieren). Das Betreuungsgericht fragt beim Vorsorgeregister immer an, bevor es einen Betreuer bestellt oder eine Entscheidung auf Grundlage des mutmaßlichen Willens des Betroffenen trifft.
Eine weitere Möglichkeit ist die (kostenpflichtige) Online-Hinterlegung bei einem entsprechenden Anbieter (z.B. Afilio.de, Smartlaw.de, Janolaw.de). Dort sind Vorsorge-Dokumente digital abrufbar mit Hinweisen, wo sich die Originale befinden (der Abrufcode dafür befindet sich auf einer, z.B. in der Brieftasche, mitgeführten Notfallkarte).
Bei Aufnahme in ein Heim oder ein Krankenhaus sollte man über das Vorhandensein einer Patientenverfügung informieren.
Downloads
Links
Patientenverfügung (Bundesjustizministerium)
Patientenverfügung (Online-Lexikon Betreuungsrecht)
https://www.lexikon-betreuungsrecht.de/Patientenverf%C3%BCgung
Heilbehandlung (Online-Lexikon Betreuungsrecht)
https://www.lexikon-betreuungsrecht.de/Heilbehandlung
Einwilligungsfähigkeit (Online-Lexikon Betreuungsrecht)
https://www.lexikon-betreuungsrecht.de/Einwilligungsf%C3%A4higkeit
Vorsorgeregister
https://www.vorsorgeregister.de/
Online-Hinterlegungsdienste (Stiftung Warentest)
https://www.test.de/Testament-So-gut-helfen-Onlinedienste-beim-Verfassen-5364600-0/
Rechtsgrundlagen
§ 1827 BGB: Patientenverfügung
https://dejure.org/gesetze/BGB/1827.html
§ 1828 BGB: Feststellung Patientenwille
https://dejure.org/gesetze/BGB/1828.html
§ 1829 BGB: Genehmigung des Betreuungsgerichts bei ärztlichen Maßnahmen